Freitag, 22. April 2022, 19:00 Uhr
Die Geschichte des europäischen Anarchismus wurde entscheidend geprägt durch Pjotr Kropotkins Werke. Er stellte Darwins Evolutionstheorie des „Überlebens der Stärkeren“ die nicht weniger einflussreiche Naturkraft der „Gegenseitigen Hilfe“ gegenüber, die er als gleichrangigen Faktor der Evolution betrachtete. Einen ähnlichen Einfluss könnte das von David Graeber und David Wengrow kurz vor Graebers Tod 2020 abgeschlossene umfangreiche Werk „Anfänge“ gewinnen. Es konfrontiert eindrucksvoll die Ergebnisse der archäologischen und anthropologischen Forschungen der letzten Jahre mit dem teleologischen Deutungsschema, das die westliche Gesellschaftsphilosophie seit dem 17.Jahrhundert dominiert. Ihr Ergebnis ist dessen völliges Auseinanderklaffen mit den aktuellen wissenschaftlichen Befunden.
Die beiden Autoren stellen die Paradigmen infrage, dass der hierarchisch-repressive Staat, der Ursprung des Privateigentums sowie die Entstehung der sozialen Ungleichheit eine Folge evolutionärer Entwicklung darstellen, die in den entwickelten westlichen Gesellschaften den Höhepunkt menschlichen Daseins erreicht habe. Vielmehr hat sich das heutige gesellschaftliche Denken selbst in eine Sackgasse begeben, denn die indigenen Gesellschaft bewiesen eine weit größere Phantasie und Variationsbreite. Muss die Geschichte der Menschheit neu geschrieben werden?
Vortrag mit anschließender Diskussion - Eintritt frei