Samstag, 11. November 2017, 14:00 Uhr
Eine Veranstaltung der Gustav Landauer Denkmalinitiative auf dem 3. Kongress Anarchistische Perspektiven (auf die Wissenschaft) an der Universität Hamburg.
Gustav Landauer wird gegenwärtig neu entdeckt, seine Schriften und der umfangreiche Briefwechsel neu herausgegeben und erschlossen. Vom akademischen Betrieb bis zum „Unsichtbaren Komitee“ reicht die Spanne derer, die sich auf ihn beziehen. Dabei sind die Zugänge zu diesem Werk äußerst vielfältig, seine Interpretation entsprechend umstritten. In späteren Lebensjahren selber sie zu beeinflussen, war Landauer verwehrt; 1919 wurde er brutal ermordet.
Bereits Zeitgenossen haben Landauer oftmals als seltsam randständige Gestalt der anarchistischen Bewegung wahrgenommen. Der Anarchismus, den er vertrete, sei als solcher im Grunde falsch bezeichnet, monierte der Freund Constantin Brunner. Der promovierte Jurist und Privatdozent Paul Eltzbacher, der 1900 eine frühe Einführung in Klassiker und Ideenwelt des Anarchismus veröffentlichte, fragte Landauer, ob er „sich denn selbst für einen Anarchisten [halte] – in dem Sinne, in dem es die anerkannten Anarchisten sind?“ Die einstmalige Randständigkeit und innere Unabhängigkeit von solcher Anerkennung sind es nicht zuletzt, die Landauer heute näher ins Zentrum des Interesses rücken lassen. Mag auch sein Stil altmodisch anmuten, so ist doch sein anarchistischer Sozialismus im Kern zugleich äußerst aktualisierbar und modern.
In diesem Kurzseminar soll in die politische Antipolitik Landauers eingeführt werden. Dabei steht die Diskussion möglichst aller Teilnehmer*innen im Vordergrund, weshalb [unten] ein Reader mit Auszügen aus zentralen Schriften bereitgestellt wird. Wir wollen gemeinsam versuchen, anhand der Textauszüge zu den theoretischen Voraussetzungen seines Schreibens und seiner organisatorischen Arbeit vorzudringen, um dieses Werk derart von innen heraus zu verstehen. Denn Landauer war einer der wenigen deutschsprachigen Anarchist*innen seiner Zeit, die literarisch und philosophisch hoch gebildet waren. Zugleich war er jedoch kein Wortfetischist und richtete sich auch nicht primär an Philosoph*innen, sondern immer an alle, die zu erreichen ihm möglich war, weshalb die innere Kohärenz seinem Werk oberflächlich nicht leicht abzumerken ist.
Stichworte sind u. a.: Repräsentationskritik, Kommunalismus und radikaler Föderalismus; Macht, gegenseitige Hilfe und freie Assoziation; Rolle der Einbildungskraft resp. Ideologie, gemeinsamer Geist und konstituierende Dynamik; Bewegungslehre und Reproduktion; Freude und Zusammenarbeit; Beginnen und Verwirklichung; Amoralismus, Egoismus und „Idealismus“; Primat des Aufbaus und der Affirmation.
Hier gibt es den Reader zum Workshop
Ort: Universität Hamburg - Ehem. HWP ● Von-Melle-Park 9 ● 20146 Hamburg ● 14:00 Uhr